Pfusch an der Seele? - Psychotherapie und der Maßstab des Machbaren

 
 
 

Katharina Wolfs Sohn hat unerklärliche Ängste. Die Kindertherapeutin empfiehlt deshalb auch der Mutter eine Therapie. Die tiefenpsychologische Therapie, die sie dann beginnt, wird elf Jahre dauern und mit einem außergerichtlichen Vergleich enden. 6000 Euro muss Wolfs Therapeut ihr zahlen. Zum Schluss hatte er 127 Stunden lang ihren Kopf auf seinem Schoss gehalten. Ein Versuch, wie er angibt, ihr die „immer vermisste väterliche Zuwendung“ zukommen zu lassen. Katharina Wolf wird zur Kronzeugin der Stern-Titelgeschichte „Pfusch an der Seele. Risiko Psychotherapie“ vom 05. Februar 2015.

„Fast vier Millionen Menschen gehen in Deutschland jährlich zu Psychotherapeuten. Nicht allen wird geholfen. Die Qualitätskontrolle ist miserabel.“ So fasst der Stern die Aussagen seines Textes zusammen. Im Heft finden sich weitere Fallgeschichten, die alle eines belegen: In einer Psychotherapie kann etwas schiefgehen, manchmal richtig viel.

Da versagen Psychotherapeuten bei der Auswahl der therapeutischen Mittel, bei der Diagnostik und bei der Abstimmung von Zielen. Sie versagen bei der Einhaltung von Grenzen. Und in allen Fällen handelt es sich um Kunstfehler durch das Handeln der Therapeuten selbst, um „menschliches Versagen“. Da passen die am Rande erwähnten angeblich jährlich 600 Fälle sexuellen Missbrauchs in der Psychotherapie gut ins Bild.

 

 

Dass der menschliche Faktor in der Psychotherapie mit entscheidend ist, wissen wir spätestens seit die Psychotherapieforscher Lambert und Barley die therapeutische Beziehung zum größten Wirkfaktor der Behandlung erklärt haben. Auch die vom Stern befragte Neurobiologin Nicole Strüber erläutert: „Herausragend wichtig für eine gelingende Therapie sind die Persönlichkeit des Therapeuten, seine Erfahrung und seine Fachkompetenz“. Diese entscheidende Ingredienz ist in der Psychotherapie nicht nur der stärkste Wirkfaktor - nach Ansicht des Stern ist sie auch ihr größtes Problem. "Weniger Eitelkeit und ein bisschen mehr Selbstreflexion“ empfiehlt Stern-Autorin Nina Poelchau den Psychotherapeuten in einem Fazit. Das therapeutische Verfahren gilt ihr dagegen wenig: „Auf die Methode kommt es offenbar gar nicht so sehr an“, sagt sie. „Eher nicht“, bestätigt Neurobiologin Strüber. Da einigen sich zwei leichthin auf eine doch sehr vereinfachte Sicht der Dinge.

Dass Psychotherapeuten Fehler machen, ja fehlbar sind, ist nichts Neues und als Einsicht ungefähr so originell wie der Umstand, dass es auch unter Ärzten bessere und schlechtere gibt. Dass das dem Stern trotzdem eine Titelgeschichte wert ist, liegt möglicherweise daran, dass er glaubt, eine einfache Lösung für die geschilderten Probleme gefunden zu haben. [...]

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