Doppelrezension - Psychotherapie. Was wirkt denn hier?

 
 
 

Sie kennen das: Sie gehen zum Arzt, der stellt eine Krankheit bei Ihnen fest und verschreibt die für diese Krankheit nachweislich beste Behandlung. Sie wissen also schon aus der Praxis, was der amerikanische Psychotherapieforscher Bruce Wampold mit dem „medizinischen Modell“ meint: Eine Behandlung, also auch eine Psychotherapie, erfolgt mittels therapeutischer Methoden, die auf Grundlage einer wissenschaftlich fundierten Theorie ausgewählt werden.

Doch wie und warum wirkt Psychotherapie? Diese Frage versuchen zwei Bücher zu beantworten, die jetzt ins Deutsche übertragen worden sind. Ein großer Teil der Wissenschaftler hatte sich bezüglich der Frage nach der Wirksamkeit schon auf das eingangs beschriebene medizinische Modell festgelegt. Demzufolge erfordert die Behandlung psychischer Störungen vor allem die korrekte Durchführung einer bestimmten Maßnahme. Diesen Ansatz stellte Bruce Wampold bereits 2001 infrage, als die Erstauflage seines Buchs Die Psychotherapie-Debatte in den USA erschien. Sein Clou war: Er versuchte nicht, das vorherrschende medizinische Modell durch einzelne neue Studien zu widerlegen, denn es gibt viele Daten, die es stützen. Stattdessen konzipierte er ein neues Modell, das sogenannte Kontextmodell der Psychotherapie, und schaute, ob die Masse der vorliegenden Untersuchungen zu diesem nicht sogar noch besser passte.

 

Das jetzt in der zweiten, erweiterten Auflage auch auf Deutsch vorliegende Werk zeigt minutiös auf, wie Wampold und seine Mitarbeiter dabei vorgegangen sind. Nach dem Kontextmodell kommt es in der Psychotherapie weniger auf bestimmte Interventionen an, als vielmehr darauf, dass die sogenannte therapeutische Allianz stimmt. Therapeut und Klient müssen demnach an einem Strang ziehen, während sie gemeinsam nicht ein bestimmtes, sondern irgendeines der etablierten Therapieverfahren durchführen. Sie vollziehen zusammen, so nennt Wampold das, ein Ritual.

Die Psychotherapie-Debatte ist eine faszinierende, aber auch herausfordernde Lektüre. Wer eingangs acht Seiten lang Begriffsdefinitionen liest, ahnt, worauf er sich eingelassen hat. Und er sollte sich auch von Wortungetümen wie „Populationskorrelationskoeffizienten“ nicht abschrecken lassen. Dafür kann er anschließend nachvollziehen, wie Wampold und seine Mitarbeiter vorgegangen sind, um die Richtigkeit ihres alternativen Therapiemodells zu belegen: Sie leiteten Forschungshypothesen aus beiden Modellen ab. Wenn es beispielsweise, wie es das medizinische Modell behauptet, auf die einzelnen Interventionen ankommt, dann müsste das Behandlungsergebnis schlechter werden, wenn man Teile dieser Interventionen weglässt. Beim Blick auf die dazu durchgeführten Studien fand Wampold diesen Effekt jedoch nicht. [...]

 
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